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Orgel
Ein Vierteljahr neue Stadtkirchenorgel
Nach einer Bauzeit von nur knapp zwei Jahren durch die Traditionsfirma Hoffmann und Schindler aus Ostheim /Rhön konnte die Orgel Ende November 2016 durch den Orgelsachverständigen Kantor Stefan Feig aus Gefell im Beisein der Orgelbauer, dem Schleizer Kantor KMD Klaus Rilke, dem Stadtkirchenpfarrer Ingolf Scheibe-Winterberg, Kirchenangestellten und dem nicht nur finanziell, sondern in jeder Richtung fördernden Freundeskreis, abgenommen und am ersten Advent 2016 in einem Festgottesdienst geweiht werden. Zweifellos ein Freudentag! Stellt doch jede Orgel einen musikalischen Altar dar. „Ihre Musik bewirkt Empfindungen, die nicht durch Worte vermittelt werden können“, so brachte es Constanze Schindler, die Tochter eines der Orgelbauer, auf den Punkt, der seinerseits erläuterte, dass besonders Quinten und Septimen Stimmungen auszulösen in der Lage sind. So bestehe bei ihm eine regelrechte Synästhesie zwischen einer Quinte und dem Leiden Christi am Kreuz, während es auch sonst noch viele Assoziationen zwischen Tönen, Tonintervallen und Tonerzeugern in einer Orgel gibt, z.B. seien ihm Flöten und Oboen die „vornehmen Verwandten“. Es ist erstaunlich welche Intentionen Orgelbauer haben. Die rein technische Seite des Orgelbaues sei letztlich beherrschbar, die seelische ist aber bereits so individuell wie die psychologische Wirkung der Musik auf den Einzelnen überhaupt. Hier spielen die Lebenserfahrungen eine große Rolle, um Seelisches durch technische Kombinationen auszulösen. (Von den drei jungen Mitarbeitern interessiere einen beim Orgelbau allein die Technik, einem anderen läge nur die Musik am Herzen und dem dritten beides.) Kantor Feig stellte den Erbauern, dem 69-jährigen Günter Hoffmann und dem 53-jährigen Christoph Schindler ein großes Lob aus: „Respekt vor den Orgelbauern, die in mühevoller Kleinarbeit sich über längere Zeit mit dem Instrument beschäftigt haben! Es ist immer ein Glücksgefühl, wenn die Arbeit gelungen ist. Es stecken viele Überraschungseffekte im Orgelbau, wenn man Gebrauchtes, was man vorher in Gesamtheit nicht gehört hat, übernimmt. Die Musik berührt Geist und Seele besonders, wenn wie hier die Register gelungen sind und der Organist ihre Handhabung auch beherrscht.“ KMD Klaus Rilke ergänzte bewundernd „die Neuschöpfung einer Konzertorgel aus vorhandenen alten Pfeifen“, welche fortan „zur geistig-seelischen Erbauung der Hörenden dienen“ möge und dies „hoffentlich länger als alles Bisheriges“.
KMD Rilke findet sich nach einem Vierteljahr in weiter zunehmender Begeisterung: „Der Anschlag zum Beispiel ist ein völlig anderer als an der Bergkirchenorgel. Die vielfältigen Registriermöglichkeiten sind für mich beeindruckend. Zum vergangenen Weihnachtsfest hatte das Instrument nach der Einweihung die zweite große Bewährungsprobe. Die Technik arbeitete problemlos und auch bei einer vollbesetzten Kirche wie Heilig Abend ist das Werk kräftig genug und trägt im Raum. Auch die neue, von mir erst skeptisch gesehene Setzeranlage, mit der ich Registrierungen speichern und auf Knopfdruck abrufen kann, ist eine enorme Erleichterung und wird auch von mir zunehmend genutzt. Faszinierend sind die Klangmöglichkeiten unserer alten, neuen Orgel. Zu hören sein wird sie natürlich zu den Gottesdiensten, aber auch zu vielfältigen Konzerten, beispielsweise einem speziellen Orgelkonzert für Kinder.“
Musikschullehrer Stefan Kothner, ehemaliger Orgelschüler von KMD Rilke, gerät in enthusiastische Glücksgefühle, wenn man auf die Stadtkirchenorgel zu sprechen kommt: „Die Arbeit der Orgelbauer gelang vorzüglich. Die Orgel bietet auf heutigem modernen Stand genau das, was Organisten brauchen, man holt jetzt Klänge heraus, die man sich nie hätte träumen lassen.“ Er vergleicht die Stadtkirchenorgel in Ihrer Klangvielfalt mit der großen französischen Orgel der Jusuidenkirche in Wien, an der er „einige Jahre Unterricht“ hatte. „Und das ist ein ganz tolles Erlebnis, wenn man sofort wieder in Gedanken eine Zeitreise nach Wien unternimmt. Mit der Schleizer Orgel vermag ich alle Musikstile zu rekonstruieren, von Romantik bis Gegenwart. Musik verbindet über alle Entfernungen und Zeiten, dies ist ein Grund, weshalb ich gerne musiziere, aber noch mehr bietet mir Musik die Möglichkeit mein Innerstes nach außen zu kehren; es ist das, was zwischen den Noten steht, wie es Gustav Mahler formulierte. Ich kann mit Musik darstellen, was mit Worten allein nicht gelingt. Ich kann die ganze Welt darstellen, Freude, Leid und alles, was bewegt.“ Zwischen drei und viermal jede Woche spielt er in der Mittagszeit die neue Orgel. Er empfindet es als großen Vertrauensvorschuss, dass er bereits eine Woche nach Orgelweihe vom KMD einen eigenen Kirchenschlüssel für die Stadtkirche erhalten hatte, sodass er jederzeit in der Kirche üben kann. Und das als Gemeindefremder. Musik verbindet eben.“
Und der Pfarrer der Stadtkirchengemeinde Ingolf Scheibe-Winterberg freut sich über Verbindungen, die durch die Orgel zustand kamen und noch kommen. Auch er ist regelrecht orgelbegeistert. „Wir haben die Orgel am ersten Advent eingeweiht, sie hat uns dann zu Gottesdiensten begleitet, spielte Weihnachten für alle in vollem Klang auf und es war sehr schön und erhebend, ebenso Sylvester und an noch einem Gottesdienst bevor die Kälteperiode einsetzte. Wir sind im Gemeindehaus und den Kirchen im Umland. So richtig erklingen wird sie wieder ab Palmarum und natürlich zu Ostern.“ Er betont: „Die Orgel ist im Gespräch und es sind in diesem Jahr schöne Konzerte geplant. Es ist ein wunderbares Gefühl eine Orgel stehen zu haben und zu wissen: sie ist bezahlt. Deshalb kann die Gemeinde andere Projekte angehen. Die Zifferblätter der Turmuhr sind jetzt dran. Und danach ist die Stadtkirche in einem guten Stand. Es hat sich gezeigt, dass wir im Orgelkreis viele interessante Ideen entwickelten, sodass bei vielen Leuten Kräfte freigesetzt wurden, die zum Erfolg geführt haben.“
Einer der aktivsten im Orgelkreis, Tischlermeister Andi Petzold, gab die Stimmung vieler Menschen wieder: „Die Orgel ist wunderbar gelungen, besonders vom Klang her und ich freue mich schon auf das erste größere Konzert, ich denke die Orgel hat sich gelohnt. Ob die Orgel auch innerlich allgemein angenommen wurde, vermag ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht zu sagen, aber ich denke schon.“
dudenker Manfred Eckstein